Glück und Glaube

Grundlage

Ob es einen Zusammenhang gibt, wollten wir wissen, oder ob die Grundidee des Glücklichseins in der Theologie gar nicht vorkommt, auch. Auf die Suche gemacht hat sich Professor Dr. Rüdiger Gebhardt und mit erstaunlicher Leichtigkeit präsentiert der Theologe ein Ergebnis, mit dem auch Laien bestens zurechtkommen.

Noch bis vor kurzem war die Theologie weitgehend „glück-los“: Glück war einfach nicht ihr Thema. Warum? Das schien klar: Jesusnachfolge ist Kreuzesnachfolge. Sie führt ins Leiden, nicht ins Glück! Und wenn überhaupt, gibt es eine Belohnung dafür in Form von ewigem „Heil“ und „Seligkeit“. Dagegen galt „irdisches Glück“ doch eher als Bedürfnisbefriedigung und billiges Vergnügen. Außerdem erfahren wir aus dem Duden, Glück sei ein „besonders günstiger Zufall“, eine „Fügung des Schicksals“. Da bleibt offenbar wenig Raum für Gott! Und ist nicht sowieso jeder seines eigenen Glückes Schmied – wie der Volksmund sowie die moderne Glücksforschung zu wissen meinen?

Zum Glück (!) hat die Theologie in den letzten Jahren das Glück wiederentdeckt. Aus gutem Grund! Denn schließlich schlummert in annähernd jedem Menschen die Sehnsucht, glücklich zu sein. Das belegen Umfrageergebnisse und der gegenwärtige Glücks-Ratgeber-Boom gleichermaßen. Und wenn dem so ist, hat sich die Theologie dafür zu interessieren – weil sie sich für den Menschen zu interessieren hat! So einfach ist das.

Genießen macht glücklich

Auch mit dem biblischen Befund ist es nicht so klar, wie man lange Zeit dachte. Richtig ist: Das Wort „Glück“ (griechisch: „eudaimonia“) kommt im Neuen Testament kein einziges Mal vor. Im Alten Testament aber immerhin an 34 Stellen. Vor allem das „Prediger-Buch“ (Kohelet) kann insgesamt als Anleitung zum Glücklich-Sein verstanden werden: Dazu gehört die Einsicht, dass „alles seine Zeit hat“ (Koh. 3,1 – 8), und dass Mühe und Arbeit allein jedenfalls nicht glücklich machen, sondern nicht zuletzt das Genießen dessen, was Gott schenkt (Koh. 3, 12 – 13). Auch und besonders die Psalmen laden dazu ein, das Leben insgesamt in einer Kultur der Achtsamkeit als eine solche Gabe, ein Geschenk Gottes dankbar zu bestaunen: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele“ (Psalm 139, 13 – 14). Und diese Haltung führt zugleich zum Jubeln und Singen, zum Lobpreis als Ausdruck eines aus Gottes Hand empfangenen Lebensglücks, und zwar in guten wie in schweren Zeiten (Psalm 147 – 150).

An einer weiteren prominenten Stelle ist ebenfalls vom Glück die Rede, nämlich gleich im ersten Wort von Psalm 1: „Glücklich der Mensch, der Lust hat an der Weisung des Herrn“. Und dasselbe Wort in seiner griechischen Variante (nämlich „makarios“) begegnet uns dann doch auch aus dem Mund Jesu und wird nicht selten auch so übersetzt: „Glücklich sind, die da geistlich arm sind … die Barmherzigen … die reines Herzens sind … die Frieden stiften“, ja selbst die, „die Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“ (Mt. 5, 3 – 10).

„Glück verdanken wir nicht dem Zufall oder einem blinden Schicksal. Glück ist ein Geschenk Gottes.“

Fünf Faktoren des Glücks

Dieser Schnelldurchlauf durch den biblischen Befund zeigt erstaunliche Parallelen zur modernen Glücksforschung: Karl-Heinz Ruckriegel, Professor an der TH Nürnberg, gilt als einer der renommiertesten Vertreter dieses Forschungszweigs. Im Jahr 2019 hat er in einem Beitrag unter dem Titel „Glücksforschung – worauf es wirklich im Leben ankommt“ seine langjährige Forschungsarbeit zusammengefasst und die wichtigsten Glücksfaktoren zusammengestellt. Dazu gehören:
1. Gelingende, liebevolle soziale Beziehungen
2. Sinnvolle Tätigkeiten, beruflich + vor allem (!) ehrenamtlich
3. Dankbar sein
4. Fehler und Schuld anderer vergeben, statt nachtragen
5. Im Hier und Jetzt leben

Fünf Fundamente des Glaubens

Auffällig: Alle fünf Glücksfaktoren weisen starke Bezüge zu zentralen Inhalten des christlichen Glaubens auf: 1. Die christliche Ethik gipfelt im Dreifachgebot der Liebe (Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe). Liebevolle, soziale Beziehungen können über den Bereich von Familie und Freunden hinaus auch in christlichen Gemeinden gefunden werden. 2. Gerade ehrenamtliche Tätigkeiten im gemeindlichen und sozialen Kontext spielen für aktive Christen eine wichtige Rolle. 3. Dankbarkeit ist eine Grundhaltung des Betens, Singens und Gottesdienst Feierns. 4. Vergebung in Anspruch zu nehmen und anderen zu vergeben, sollte geradezu ein Erkennungszeichen von Christen sein. Und schließlich 5. Im Hier und Jetzt zu leben empfiehlt ebenfalls bereits Jesus in der Bergpredigt, genauer: sich nicht um das Leben, Nahrung, Kleidung und Schätze sammeln zu sorgen, sondern sich statt dessen an den Lilien auf dem Felde und den Vögeln am Himmel zu orientieren, die sich nicht sorgen, sondern versorgt werden (Mt. 6, 25 – 34).

Vier Dimensionen der Tiefe

Fazit: Glaube und Glück haben mehr miteinander zu tun, als viele meinen. Diesen Zusammenhang bestätigt übrigens eine Insa-Umfrage aus dem Jahr 2019 deutlich. Allerdings macht die theologische Perspektive über ein allgemeines Glücks-Verständnis hinaus vier Tiefendimensionen sichtbar. Die erste: Glück ist weit mehr als äußerliches Wohlbefinden. Gesundheit, materielle Absicherung und soziale Einbettung mögen dabei durchaus eine Rolle spielen. Wahrhaft glücklich ist aber zu nennen, wer auch dann noch Trost und Halt findet, wenn eine oder mehrere dieser Lebenssäulen wegbrechen. Die zweite: Glück allein auf die Wegstrecke zwischen Geburt und Tod zu beschränken, greift zu kurz. Erst die Ergänzung durch die schönen alten Begriffe wie „Seligkeit“ und „Heil“ weitet den Blick für die Ewigkeits- Dimension des Glücks. Die dritte: Was Glück ist, erschließt sich nicht durch den Blick auf das Individuum und sein Wohlbefinden. Glück braucht die Beziehung zum Du. Oder – um es mit Hermann Hesse zu sagen: „Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.“ Ich ergänze: Liebe zu schenken und Liebe zu erfahren, macht gemeinsam das Glück aus. Schließlich die vierte und letzte Tiefendimension: Glück verdanken wir nicht dem Zufall oder einem blinden Schicksal. Glück ist ein Geschenk Gottes. Deshalb ist die passende Märchenfigur zum Glücksverständnis des christlichen Glaubens nicht des „Glückes Schmied“, der jeder für sich selbst ist. Sondern es ist das Sterntaler-Mädchen, das seinen Mantel weit ausbreitet, um die Sterne aufzufangen, die als Taler vom Himmel regnen. In diesem Bild ist die Tiefe eines Verständnisses von „Glück“ enthalten, dessen Innenseite „Segen“ ist: Wir können unser Lebensglück nicht erzwingen oder erarbeiten. Und das, worauf es im Leben letztlich ankommt, können wir nicht verdienen, sondern nur empfangen. Deswegen ist es gut, wenn Christen einander nicht nur „viel Glück“, sondern auch „viel Segen“ wünschen. Denn alles Wesentliche ist Geschenk.

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